Tanz als Visualisierung
Unser Leben kann mit Zahlen beschrieben und in Diagrammen visualisiert werden. Jeder Mittelwert und jede Visualisierung sind jedoch immer Vereinfachungen. Nützlich und faszinierend, aber auch behindernd und einengend.
Premiere in Hellerau
Gestern konnten wir im Festspielhaus Hellerau eine wunderbare Visualisierung von zwei „Leben in Zahlen“ erleben. In der Dresden Premiere von „Life in numbers“ treffen sich die beiden Choreografinnen und Tänzerinnen Katia Manjate und Anna Till. Vor 4 Jahren begannen die Künstlerinnen ihre Leben anhand von Zahlen zu vergleichen und sich so kennenzulernen. Dies gab den Impuls zu „Life in numbers“, und so beginnt auch das Stück. Mit einem Vergleich der Leben in Dresden, wo Till lebt, und Maputo, wo Manjate lebt. Im Laufe der 8 Teile lernen wir so zunächst Eckdaten kennen, die tänzerisch auf einem kartesischen Koordinatensystem umgesetzt werden, mit Bewegungen entlang der unsichtbaren x- und y-Achsen. Die Tänzerinnen bilden hier selber die Datenpunkte, immer in einem Verhältnis zueinander, aber im Laufe der Zeit sich verändernd, konvergierend, divergierend.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Im mittleren Teil des Stücks wenden wir uns von den Mittelwerten ab und den individuellen Datenpunkten zu. Nicht mehr: „Wie lange lebt eine Frau in Deutschland und eine in Mosambik?“ wird erörtert, sondern Till und Manjate fragen sich direkt: „Wie alt bist Du?“. Die konfrontativ-neugierigen Fragen werden wie ein Zweikampf inszeniert und in grelles Licht getaucht. Die Schatten der Körper werden in Rechtecke projiziert, die von den Scheinwerfern gebildet werden und visualisieren damit unser Denken in Kästen. Das Publikum wartet mit der Fragenden höchstgespannt auf die nächste Antwort.
Im dritten Teil löst sich die Spannung, das Licht wird warm und der Tanz spielerisch. Die Künstlerlinnen beginnen nun eine freudige Auseinandersetzung mit ihren Unterschieden und feiern ihre Gemeinsamkeiten. Dies wird von Musik und Rhythmen aus beiden Ländern unterstützt.
Zahlen sind auch schön
Am Ende fragt Till, können wir ohne Zahlen leben? „Life in numbers“ antwortet „nein“, zeigt aber auch das Leben in den Zahlen. Und es zeigt, dass Zahlen mehr sind als ökonomische Werte. Zahlen können auch beschreiben, wie oft lache ich pro Tag, wie lange sehe ich die Sonne, und welche Rhythmen können meine Füße tanzen.
Als Wissenschaftler vermeide ich 3D-Diagramme, weil sie Daten verzerrt zeigen. Bei „Life in numbers“ kann man erleben wie Tanz, eine drei- oder sogar vierdimensionale Visualisierung, Zahlen ganz unmittelbar erlebbar und faszinierend machen kann.
Die Vorstellung ist heute und morgen noch in Dresden-Hellerau zu sehen (https://www.hellerau.org/de/event/life-in-numbers/).
Am 19. Und 20. Oktober im tanzhausnrd (https://tanzhaus-nrw.de/de/buehne/spielplan) und danach in Maputo!
Viel Spass!
Publikumsgespräch mit der Programmleitung und den Künstern
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